Wohnzimmergespräche

Ich (Sarah) sitze mit meiner Freundin Zam Zam (17 Jahre) und ihrem Freund Khalil (17 Jahre) in unserem Wohnzimmer.
Zam Zam spricht gut Deutsch. Ich finde es wichtig die Geschichten hinter den Gesichtern der Menschen zu hören,
die als Flüchtlinge in unser Land gekommen sind. Für mich sind es in erster Linie Menschen,
die mit viel Mut ihr Leben und das Leben ihrer Familie
gerettet haben.

Zam, Zam, wie war dein Leben vor dem Krieg? Vor 2011?

Syrien war ein schönes Land, es war sehr ruhig und viele Menschen aus anderen Ländern kamen nach Syrien. Es gab Arbeit und wir besuchten die Schule.
Wir haben schön gewohnt, umgeben von guten Menschen.

Ihr hattet eine Wohnung, ein Haus, ein Auto, ein normales Leben..

Khalil:
Ja, wir hatten viel Geld, ein Haus und zwei Autos und wir gingen regelmässig zum Markt.
Zam Zam: Wir hatten einen Garten und eine mehrstöckige Wohnung, einen Bus.. aber jetzt ist alles weg.

Ihr wart elf Jahre alt als der Krieg ausbrach.

Khalil: Der Krieg begann in der Stadt Daraa, bereitete sich nach Aleppo und Holms aus und 2012 war auch Krieg in Damaskus, wir lebten in Dörfern bei Damaskus.

Wie habt ihr davon mitbekommen, dass Krieg ist?

Zam Zam:
Es gab Menschen, die sagten, sie wollen andere Gesetze, ein andere Demokratie, das haben wir zuerst im Fernsehen gesehen und die Leute haben davon gesprochen.
Dann haben wir im Fensehen gesehen, wie Soldaten kamen und Bomben fielen und dann haben wir es mit eigenen Augen gesehen. Ich war ungefähr zwölf Jahre alt, die Bomben
fielen direkt vor unserer Wohnung. Wir haben uns oft im Keller versteckt.

Wie habt ihr diesen Zustand mehr als fünf Jahr ausgehalten?

Zam Zam:
Ich habe mir immer gesagt, ich schaffe das für meine Mutter, ich schaffe das für meinen Vater und für meinen Bruder. Ich will nicht, dass meine Mutter mich traurig sieht, damit sie nicht krank wird.
Wir schaffen das, weil es vielleicht noch Frieden gibt und wir wieder in Ruhe wohnen können.

Aber dann kam der Zeitpunkt an dem ihr gesagt haben, wir müssen jetzt unser Land verlassen…

Zam Zam:
Ich war schon fünfzehn Jahre alt und Soldaten nahmen einfach Mädchen in meinem Alter mit. Meine Tante war schon in Deutschland und mein Bruder überlegte auch zu gehen, um in Sicherheit zu sein.
Auch meine Lieblingstante wollte mir ihren Kindern fliehen. Ich wollte nicht ohne meine Tante in Syrien bleiben.
Khalil:
Wir waren immer in grosser Angst, es gab keinerlei Perspektive mehr auch die Schule konnten wir nicht mehr besuchen, weil alles zerstört war.
Unser Haus alles was wir hatten wurde uns genommen. Wir konnten nicht mehr rausgehen, frei auf der Strasse rumlaufen, weil überall geschossen wurde.

Erinnert ihr Euch noch an den Tag, an dem ihr Syrien verlassen habt?

Zam Zam:
Ich erinnere mich noch genau an das letzte Gericht, was meine Mutter mir gekocht hat.
Ich war sehr traurig als ich mich von meiner Mutter verabschiedet habe. Im Moment des Abschiedes war ich sehr traurig aber erst danach kam die schlimme Traurigkeit bis heute..
Khalil: Für mich war es sehr schlimm, weil ich meinen Onkel, den ich sehr liebe zurücklassen musste.
Die Flucht war sehr schwer, ich habe auf sieben Kinder und drei Frauen aufgepasst, die Reise war sehr beschwerlich, wir sind viel gelaufen, wussten oft nicht wohin.

In Deutschland zu sein ist auch nicht immer leicht, weil es Menschen gibt, die Euch sagen, dass ihr nicht willkommen seid…

Zam Zam:
Ich denke oft, warum bin ich hier in diesem Land?
Ich hatte auch ein Leben, ich hatte auch viele Freunde, habe eine Schule besucht und hatte viel Geld. Ich weiss nicht warum ich jetzt dieses Leben lebe. Ich will das nicht, ich möchte gerne in meine Heimat fahren und dorthin zurückgehen.
Khalil: Zu uns nach Syrien kamen auch viele Ausländer und wir waren gut zu ihnen, weil wir wussten, dass es in jedem Land Krieg gibt und wir einander helfen müssen.

Habt ihr Menschen in Deutschland getroffen, die Euch gemein behandelt haben?

Zam Zam und Khalil:
Ja, wir haben viele Menschen gesehen auf dem Weg zur Schule oder beim Spaziergang, die schlechte Dinge zu uns gesagt haben, wie „Scheiss Islam“ oder „Verpiss Dich aus unserem Land“,
„Geht in Euer Land zurück, ihr habt unser Geld genommen“ und anderes.
Zam Zam: Ich sage dann gar nichts, weil ich einfach nicht weiss, was ich darauf antworten soll.

Khalil lebt seit zwei Jahren mit seinen Eltern und einem Teil seiner Verwandtschaft in Deutschland.Er geht zur Schule, spricht Deutsch
und wünscht sich eine Ausbildung zum Automechaniker. Er vermisst seine Heimat und den anderen Teil seiner Familie, der in Syrien lebt.
Zam Zam lebt seit zwei Jahren mit ihrem Bruder in Deutschland. Ihr zweiter Bruder kam im Krieg ums Leben. Ihre Lieblingstante ertrank mit ihren fünf Kindern im Meer, weil das Schlauchboot auf einen Felsen aufschlug.
Zam Zam vermisst Ihre Eltern und ihre Heimat sehr. Sie geht zu Schule, spricht Deutsch und möchte Arzthelferin werden.

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