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Heimat zum Teilen

Von Heike Sabel für die SZ

Sarah Brendel ist Musikerin, und mit Musik begann auch die Idee, Flüchtlingen ein Zuhause zu geben.

Foto: motoki35mm

Ein Konzert in Bethlehem hat ihr Leben verändert. Es begann damit, dass aus dem einen Konzert eine kleine Tournee wurde. Sarah Brendel war damals zu einem Festival eingeladen, traf Freunde wieder, lernte neue kennen. So entstand die spontane Idee, mehrere Konzerte in Israel und Palästina zu geben. Sie lernte auch Menschen aus Eritrea kennen, die durch den Sinai vor Terror und Krieg fliehen mussten und vor den Toren Tel Avis halb verhungert und verdurstet zusammenbrachen. Auf dem Weg hatten sie Freunde und Familie verloren. Ein Mann erzählte, wie er gefoltert wurde. Plötzlich bekamen die Bilder aus dem Fernsehen ein Gesicht. Schon seit Längerem bewegte diese Thematik die Musikerin. Jetzt wurde daraus Betroffenheit. Sarah Brendel traf sich mit Flüchtlingen, hörte sich ihre Geschichten an, stellte Fragen. „Ich musste etwas tun“, sagt sie. Und dann ging alles schnell.

Zum Konzert in Bethlehem organisierte sie mit ihren Freunden weitere Konzerte, eins davon in der ältesten protestantischen Kirche Jerusalems: ein Konzert mit und für Flüchtlinge. Die Flüchtlinge zeigten einen Film über ihre Flucht aus Eritrea, den sie selbst gedreht hatten, musizierten, erzählten, Sarah sang ihre Lieder. Eines hatte sie extra für ihre neuen Freunde aus Eritrea geschrieben: „The Morning After“. Das Geld ging an eine Stiftung in Tel Aviv, die sich um Kinder und Frauen aus Eritrea kümmert. Sarah Brendel kam zurück nach Hause. Das Herz und den Kopf voll.

Sie stammt aus einer norddeutschen Künstlerfamilie. Mit 16 schrieb sie ihre ersten Songs, sie brachte sich Gitarrespielen bei, lernte Klavier und andere Instrumente. Doch was wollte sie nun, nachdem sie so viele Menschen getroffen hatte, die so Schweres erlebt hatten? „Ich kann nicht so weitermachen wie bisher.“ Zu viel hatte sie gesehen, gehört, gefühlt. Und sie hörte und erfuhr immer mehr. Das, was noch drei Jahre zuvor Nachrichten im Fernsehen und Radio waren, wurde Teil ihres Lebens.

Genug, um zu teilen

Ein syrischer Journalist filmte, schrieb und veröffentlichte, was das Regime mit den Menschen macht. Er wurde verfolgt. „Weil er die Wahrheit zeigte von Kindern, die um ihre bei Bombenanschlägen in Syrien ums Leben gekommenen Eltern weinen.“ Tausende sind gerade auf der Flucht vor Terror und Krieg und wissen nicht wohin. „Stell’ dir vor, es ist andersherum, du stehst in deiner Not vor einem riesigen Stacheldrahtzaun und weißt nicht wohin.“

Konzerte geben, Geld sammeln, Flüchtlingen eine Plattform geben. Es sollte noch praktischer werden, sagt Sarah Brendel. Mit ihrem Mann Stevie traf sie eine Entscheidung: Per Mietkauf ein Haus erwerben, in dem Geflüchtete leben können. „Wir sind keine wohlhabenden Leute, aber wir haben es warm und genug zu essen, genug, um es zu teilen“, sagt Sarah Brendel. Inzwischen ist eine große Familie mit sieben Kindern in das Haus gezogen. Eine Familie, die lange Wege zu Fuß unterwegs war, weil sie in ihrem Land schreckliche Verfolgung von den Taliban erlebte. In Röhrsdorf und umliegenden Dörfern haben sich 18 Helfer gefunden. „So etwas kann man nur gemeinsam schaffen.“

Zusammen wurde renoviert und eingerichtet, immer wieder wird gemeinsam gegessen, gesungen, gefeiert, werden Ausflüge unternommen. Deutschunterricht und Schule, Keramikkurs für die Familie und Kinder aus dem Dorf sollen folgen. So lebt Röhrsdorf Integration. Der Kontakt mit dem Dorf ist wichtig. Für die Menschen, die hergekommen sind, und für die, die hier schon lange leben. Jeder mit Herz für Menschen in Not sei willkommen, mitzumachen, sagt Sarahs Mann Stevie.

Kraft schöpfen aus dem Glauben

Deshalb haben Stevi und Sarah einen Verein gegründet, Refugeeum. Das Wort stammt vom lateinischen refugere und bedeutet Zufluchtsort. Sarah und Stevie schöpfen aus dem Miteinander mit den Menschen um sie herum und ihrem Glauben viel Kraft. Jesus habe sich um die Ausgestoßenen und Schwachen gekümmert, das sei ein Vorbild. Sarah, Stevie und die Röhrsdorfer wollen mit den Fremden etwas Gemeinsames aufbauen.Liebe ist nicht nur gerecht, sondern sie leben sie praktisch. So halten sie sie am Leben.

Wenn Sarah Brendel heute auf ihren Weg zurückblickt, sieht sie den ganz anders als am Anfang. Und doch hätte er nicht anders verlaufen können. Das Ziel war klar, nach und nach nimmt es Gestalt an. Mit jedem Tag mehr.

Zur Website von Sarah Brendel

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